Die Vorarlbergerin - Ausgabe November 2013
Hakuna Matata
Alles in Ordnung - auf Suaheli klingt das Lebensmotto von Agnes Konzett ganz vertraut. Hatte nicht Hollywoods König der Löwen dasselbe? Doch, und auch der Ort ist derselbe, Afrika. Die 38jährige pendelt zwischen Dalaas und Mombasa, hilft wo sie kann und lebt für die Kinder von Kenia. Engel Sein für Waisen, ist ein oft gefährlicher und immer anstrengender Job, doch die junge Frau hatte nie einen schöneren. Eine kurze Geschichte über Geben und Nehmen.
Jedes Mal wenn ein Flugzeug über Kikambala fliegt, dann hofft Piri Muye, dass Agnes kommt. Er hat elf Kinder, verdient umgerechnet 60 Euro in einem guten Monat und ist Katholik. Gott hilft ihm in dunklen Stunden, in den bessern macht das Agnes. Die beiden haben sich vor einigen Jahren kennen gelernt, als die Vorarlberger Familie einen Urlaub in Kenia abseits der Klischees von Safari und Co macht. Land und Leute sind es, die man kennen lernen will. Bei einem Marsch durch den Busch möchte Angelo, der Sohn der Familie, eine Kokosnuss vom Baum holen. Einheimische Kinder zeigen ihm, wie es geht und was folgt, ist eine Einladung in die Hütte der Familie Muye. „Man hat nichts und versucht doch zu teilen“, das begeistert Agnes von Anfang an, denn es gibt nicht nur gute Menschen in Kenia, „wo das Leben eines einzelnen oft gar nichts wert ist.“
HELFEN FÜR ANFÄNGER
Agnes wurde schon überfallen und ist auf einem Marktplatz einem Bombenanschlag nur knapp entronnen. Angst hat sie aber nicht. „Man zieht Schlechtes an, wenn man sich immer fürchtet.“ Die beste Prävention ist es, nicht auffallen, ein schrottreifes Auto fahren, alte Kleidung tragen und nie Geld bei sich haben, denn schon alleine Agnes’ Hautfarbe macht sie zum potentiellen Opfer. Opfer sind auch die Kinder, Opfer von Armut, Misswirtschaft und Korruption. Deswegen gibt Agnes auch nie einen einzigen Euro aus der Hand. Sie macht alles selbst und vertraut niemandem, denn die Armut macht lange Finger. Ihre Spenden begleiten sie zum Markt, wo sie Nahrung kauft, zum Doktor, der die Kinder medizinisch betreut und zum Shop, wo es Bleistifte für die Kleinsten gibt. Was mit einer Kokosnuss begann, ist heute der help Keniakinder Verein, dessen Bücher jeder einsehen kann. Eine Frucht stiftete die Freundschaft, von der Agnes nicht das Gefühl hat, dass sie einseitig ist. „Wir finanzieren das Schulgeld, sorgen für Nahrung und ein Dach über dem Kopf, aber wenn es mir einmal ganz schlecht ginge, ich hätte immer eine Familie in Afrika.“
AKADEMIE ZUM GLÜCK
Agnes ist immer willkommen in Shanzu und Kisauni. Dutzende Kinder begrüßen sie und Zwillingsschwester Monika stürmisch, wenn die Klostertalerinnen in einem der beiden betreuten Schulprojekte - den Academies - vorbeischauen. Das Leuchten der Kinderaugen, das Gefühl helfen zu können und jemandem einen vollen Teller zu reichen, der nur einmal am Tag etwas zu essen bekommt, ist überwältigend. „Das sind die schönen Sachen, die ich mit nach Hause nehme.“ Apropos nehmen. Ab und zu nimmt Agnes neben Geld, Medikamenten und Kleidung auch Menschen mit nach Afrika. Meistens sind es Paten der Waisenkinder, die in einem der renovierten Schulgebäude unterrichtet werden, aber auch dort essen und schlafen. Wo sind denn die Eltern der Kinder, fragt man naiv aus der Geborgenheit eines Sozialstaates heraus. Tot - das ist die pragmatischste Antwort von allen und leider auch die häufigste. Aids ist in Kenia weit verbreitet, aber vielfach sind die Kleinen auch einfach vernachlässigt oder ganz verlassen worden. Ein weinendes Mädchen hat man mit einem Zettel in der Hand vor der Schule gefunden. Ihre Eltern sind tot, wir haben nichts, bitte gebt ihr etwas zu essen. Natürlich kümmern sich Agnes und ihre Familie um Kinder wie diese, aber man kann nicht allen helfen. „Ich möchte diese Projekte ordentlich machen und mich nicht verzetteln,“ sagt Agnes sachlich, sie kommt mit dem Elend der Kinder mittlerweile besser zu Recht als Paten, die nicht nur für den Help-Keniakinder Verein spenden möchten, sondern sich auch vor Ort alles anschauen. „Da gibt es dann verzweifelte Tränen, man kann sich das als Europäer einfach nicht vorstellen“.
KARIBU AGNES
So wird die Dalaaserin in Kenia begrüßt, zum Beispiel von Frau Mbaka. Die Mutter von Patenkind Daina hat am Tag vor Agnes Ankunft in Kenia ihr Baby mitten auf der Straße vor einer baufälligen Hütte zur Welt gebracht, sie konnte die Miete - umgerechnet 4 Euro im Monat - nicht mehr zahlen. Vom Vater ihrer Kinder fehlt jede Spur, der Vermieter hatte kein Mitleid. Eine fast schon weihnachtliche Herbergssuche, die dank Agnes und der Patin ein happy end gefunden hat. Alle vier Mbaka Kinder haben in den nächsten Jahren zu essen und ein Dach über dem Kopf. Ein Tropfen auf den heißen Stein? „Sicher nicht“, meint Agnes Konzett, „irgendwo muss man anfangen“. Für uns Vorarlberger wünscht sie sich, dass wir zufriedener und glücklich werden, wir haben doch alles. Agnes verkauft in Kürze übrigens das Haus ihrer Familie, „etwas Kleineres reicht auch“.
„Schenken macht mich viel glücklicher als etwas bekommen.“